Empowerment von jungen Peruaner*innen für eine ethische, soziale und ökologische Demokratisierung

 

 

Peru feierte am 28. Juli 2021 200 Jahre Unabhängigkeit von der spanischen Herrschaft. Die politische Krise verschärfte sich im letzten Jahr zusehends und weckte vor allem in der jungen Generation, der sogenannten „200 Jahre Generation“, Widerstand, der in den Novemberprotesten 2020 seinen Höhepunkt fand.

Die Organisation ADEP (Audiovisuales del Perú) in Lima besteht seit 1990. Sie verfolgt zwei Ziele:

Zum einen können in einem Aufnahmestudio junge Musiker Musik aufnehmen und publizieren. Insbesondere moderne christliche und sozialpolitische Themen unterschiedlichster Interpreten werden produziert und verbreitet. Dieser Teil von ADEP trägt sich finanziell weitgehend selber.

Zum anderen bietet sie Weiterbildung für junge Peruaner und Peruanerinnen im ganzen Land an, vor allem für die ärmere Bevölkerung der Randschichten. Gefördert und ermutigt werden sollen junge Menschen, Leitungsaufgaben in Politik, Kirche und Gesellschaft zu übernehmen. Zwei Drittel der Teilnehmer sind Frauen, was für ein lateinamerikanisches Land von besonderer Bedeutung ist. Die meisten Teilnehmer sind zwischen 20 und 25.

ADEP arbeitet mit kirchlichen Organisationen zusammen, weil die Kirchen in Peru nach wie vor eine wichtige Rolle spielen. In ihnen finden die jungen Menschen Raum und Möglichkeiten, sich zu entfalten. Bei öffentlichen Aktionen für Gerechtigkeit und Frieden stellen kirchliche Gruppen und Gemeinden die Mehrzahl der Teilnehmer. Den Worten und Taten der Kirchen wird großer Respekt entgegengebracht und gleichzeitig wird von ihnen bekennendes Engagement erwartet. Dazu will ADEP beitragen.

In den letzten Jahren hat sich auch eine gute Zusammenarbeit mit Gruppen und Organisationen entwickelt, die von jungen Leuten selbst gegründet wurden, um Veränderungen zu bewirken. Sie konzentrieren sich auf sozialpolitische Themen oder bestimmte Regionen. Hauptsächlich geht es um Ökologie, Kinder- und Jugendarbeit. Diese Gruppen sind Multiplikatoren der Arbeit von ADEP.

 

Aktivitäten im Jahr 2020:

Die Pandemie hat die wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten stärker sichtbar gemacht: ein sehr mangelhaftes Gesundheitswesen, in dem Geld sprichwörtlich über Leben und Tod entscheidet. Ein sehr ungleiches Schulwesen, in dem Menschen mit Ressourcen alles einfach aufs Virtuelle verlegen, während andere täglich auf die nächstgelegene Bergspitze laufen müssen, um im Radio dem Unterricht folgen zu können. Wieder andere müssen sich mit mehreren Geschwistern ein Handy teilen, um an den Lehrstoff zu kommen; und manche haben gar keine Chance, am virtuellen Unterricht teilzunehmen und „verlieren“ somit zwei Jahre.

Zwar haben nicht alle Menschen, die  ADEP erreichen will, einen ausreichenden Zugang zu Radioprogrammen und zum Internet, jedoch war dies 2020 der einzig mögliche Weg, die Angebote weiterzuführen. Unsere Ansprechpartnerin Schwester Gisela Reich (Missionsärztliche Schwestern) ist eine der Referentinnen und berichtete über die Aktivitäten in 2020:

- Interviews in Radio Todo en Común und Podiumsgespräche zum Thema „Leitungskapazitäten und Bürgerengagement“

Dieses seit vier Jahren existierende Programm wird von den Organisationen der jungen Menschen als Chance wahrgenommen, sich und ihre Aktivitäten und Initiativen einem breiten Publikum vorzustellen. In der Interviews erklären die jungen Menschen ihre Initiativen, ihre Positionen und sozialen Forderungen und Vorstellungen. Die Interviews werden in den sozialen Netzwerken veröffentlicht. Sie vertiefen Lern- und Klärungsprozesse und dienen der Information und Weiterbildung in anderen Organisationen. Außerdem ermöglichen sie, Kontakt untereinander aufzunehmen und sich gegenseitig zu stärken. Dabei erfahren sich die jungen Leute als politische Akteure, die einen Beitrag für ein menschliches und demokratisches Zusammenleben leisten.

Die acht im online Radio und den sozialen Netzwerken veröffentlichten Sendungen wurden im ADEP-eigenen Studio vor der Pandemie aufgenommen. Sie wurden von knapp 10.000 Menschen gehört und/oder gesehen.

Im März 2020 erreichte Peru die Pandemie, die mit einem der striktesten Lockdowns dieses Erdteils begann. ADEP entschied daraufhin, statt der noch nicht aufgenommenen zwei Radiosendungen vier virtuelle Podiumsgespräche zum Thema demokratischer Leitung und Bürgerengagement durchzuführen. Zielgruppe waren junge Leute und jene Erwachsenen, die mit ihnen arbeiten.

Die Themen waren: Die aktuelle Lage Perus und seine Zukunft; Leitungsstile in der heutigen Zeit; Demokratie und ihre Herausforderungen; Bürgerethik.

Von den jeweils 22 Teilnehmer*innen aus verschiedenen Organisationen in ganz Peru hatten etliche - wie auch von den Moderatoren – bereits früher an Weiterbildungsprogrammen von ADEP teilgenommen. Die Beteiligung war rege und offen, mit kritischer Betrachtung der Realität und guten, konkreten Vorschlägen, um die Demokratie zu stärken, vor allem aber die nächste Generation in ihrem Beitrag dazu zu fördern.

Diese Vorschläge und die daraus folgenden Selbstverpflichtungen der Teilnehmer*innen wurden am Ende jedes Themas ausformuliert und mit deren Einverständnis in den sozialen Netzwerken veröffentlicht. Damit wurden noch mehr Personen zum Nachdenken und Handeln angeregt, wie die Zahl der Reaktionen zeigt: mehr als 4.400 erreichte Personen und 130 Interaktionen.

Diese Art von Podiumsdiskussionen war eine neue Erfahrung für ADEP, ausgelöst durch Corona, die jedoch sehr gut in unseren Rahmen von Weiterbildung in sozialen und demokratischen Themen reinpasste, auch wenn Veranstalter, Teilnehmer und Hörer gelegentlich mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten.

- Leitungsschulung: Bürgerschaftliches Engagement und Demokratie
in Paita,Región Piura, im Norden Perus (21. - 25. September 2020,22 Teilnehmende)

Eine andere virtuelle Weiterbildung mit dem - etwas langen - Titel „Befähigte/gestärkte Leiter*innen mit sozialer Verpflichtung/Engagement in der Pandemie zur 200 Jahr Feier“ führte ADEP für junge Menschen aus verschiedenen Distrikten von Paita in Piura durch. ADEP hatte dort schon früher solche Fortbildungen zusammen mit Lehrer*innen und der Stadt angeboten. Diese Kontakte frischte ADEP auf, weil der Norden Perus in der ersten Welle der Pandemie eine der höchsten Infektionsraten hatte und die Bevölkerung nicht mit der notwendigen Verantwortung darauf reagierte. Das hatte mehrere Gründe, unter anderem Armut und fehlende Glaubwürdigkeit der Autoritäten und der politischen Klasse.

Dabei arbeitete ADEP mit einem Teilnehmer einer früheren Leitungsschulung zusammen, Gemeinderatsmitglied und Kandidat für das Bürgermeisteramt. Die Inhalte der sechs Themen waren auf die Region abgestimmt. Die Teilnehmenden aus verschiedenen Bezirken tauschten sich aus und hinterfragten Vorschläge und Standpunkte der anderen kritisch. Dadurch entstanden kreative, neue Ideen für die Teilnahme an der lokalen bis hin zur nationalen Entwicklung. So unterstützt ADEP die Dezentralisierung, ein wichtiger politischer Ansatz zur Entwicklung Perus.

Die Referent*innen kamen aus der Region Piura und aus Lima, alle mit Erfahrungen in der Weiterbildung ADEPs. Diese ehemals Jugendlichen sind zu sensiblen, kompetenten und engagierten jungen Erwachsenen herangewachsen, die guten Kontakt zu den jetzigen Jugendlichen entwickeln und deren Bildungsprozesse begleiten.

Ein Indiz, dass der Kurs gut war und die Teilnehmenden an ihrer Weiterbildung interessiert sind, ist, dass viele von ihnen sich am nächsten Zyklus von Podiumsgesprächen zum Thema „Demokratische Akteure“ beteiligten.

- Zyklus Podiumsgespräche „Demokratische Akteure – Arbeit mit jungen Erwachsenen hin zur 200 Jahrfeier“

Geplant war eine öffentliche Debatte junger Erwachsenen zur 200 Jahrfeier der Unabhängigkeit Perus. Stattdessen fanden von September bis November 2020 sechs Abende statt mit jeweils 20 Teilnehmenden.

In den Diskussionen zwischen den verschiedenen Organisationen wurden personal-lokale und sozial-nationale Zusammenhänge herausgearbeitet, die sich in den am Ende jeden Abends formulierten Ideen, Vorschlägen und Selbstverpflichtungen widerspiegelten.

Diese Gesprächsrunden ermöglichten den Teilnehmenden, über ihre Arbeit und ihr Engagement zu reflektieren und sich gegenseitig feed back zu geben. Die Pandemie führte bei manchen zu Sinn- und Existenzkrisen. Dieser Austausch zeigte Wege auf, wie es trotz der widrigen Umstände möglich und nötig ist, sich für die eigenen Ziele und die des Landes einzusetzen. Unter anderem wurde über die traumatischen Erfahrungen der Novemberproteste gesprochen, bei denen zwei junge Menschen den Tod fanden, sehr viele verletzt wurden und sich Bevölkerung vom Parlament nicht verstanden und ernst genommen fühlte und auf die eine oder andere Weise protestierte.

Die Veranstaltungen mit Referaten und Diskussionen wurden aufgenommen und in den sozialen Netzwerken veröffentlicht und von mehr als 13.000 Menschen gesehen, ebenso sechs „Flyer“ mit zentralen Ideen, Vorschlägen und Selbstverpflichtungen der Teilnehmenden zu den jeweiligen Themen erstellt. Die Reaktionen darauf waren positiv und vielfältig .

Der bereits im Juni, noch im strikten Lockdown, veröffentlichte Spot „Sei Protagonist der Änderungen“ sollte das Bewusstsein und die inneren Kräfte wecken, wieder aktiv zu werden, und mit anderen zusammen die positive Entwicklung in Gang zu halten. Der Spot wurde von knapp 2500 Menschen gesehen.

- Weiterbildung "Das Gute Leben - hin zu einer ökologischen Ethik"

An vier Abenden, je zwei Stunden, im Juli wurde diese Weiterbildung angeboten. Es ging um das „Buen Vivir“, das Gute Leben, die Lebensvision der indigenen Völker Lateinamerikas, die Beziehungen zu sich selbst, den nächsten Menschen, zu Gott, so sie gläubig sind, und der Umwelt gesünder zu gestalten, um harmonische und schöne Beziehungen zu erreichen. Es nahmen 32 Personen daran teil, überwiegend erwachsene Frauen aus verschiedenen Regionen Perus. Sie boten ein breites Spektrum an Ideen, Fragen und Vorschlägen auf dem Hintergrund der verschiedenen Realitäten und erweiterten damit die Sichtweisen aller Teilnehmenden.

Die Themen wurden von erfahrenen Referent*innen vorbereitet und geleitet, aus theologischer, ökologischer und psychologischer Sicht. Im Einzelnen: „Das neue Zusammenleben, sozial und virtuell - Änderungen in den Beziehungen“ / „Entfaltung und Stärkung der Empathie“ / „Wie mit Gefühlen leben in Momenten von Schmerz und Trauer“ / „Hin zu einer ökologischen Ethik -Elemente und Vorschläge“. Auch die Erfahrungen der physischen Distanz und die zu jener Zeit schon hohen Zahl von an Corona Verstorbenen wurden von den Teilnehmern thematisiert.

Wieder wurden die zentralen Ideen, Vorschläge und Verpflichtungen jedes Themas zusammengefaßt und in den sozialen Netzwerken veröffentlicht. Dadurch wurden mehr als 1100 Personen erreicht. Die Teilnehmenden waren sehr zufrieden mit dem Kurs und wollen das Erlernte in ihrem Umfeld im Unterricht, der Katechese oder Jugendarbeit weitergeben .

Das Team von Adep nahm selbst am Kurs teil, als Weiterbildung und um die gemeinsame Vision zu stärken.

- Kampagne im Netz “Meine virtuelle Erfahrung“

Als der Lockdown immer länger dauerte, mit ziemlich strikten Beschränkungen, und sich alles, was ging, auf die virtuelle Welt verlegte, startete ADEP eine audiovisuelle Aktion und lud die Menschen ein, sich in verschiedenster Form über die Erfahrungen auszutauschen. Es entstanden zwei kurze Videos, von den Teilnehmenden selber entwickelt und dargestellt. 
Außerdem wurden zwei „Spiele“ im Netz veröffentlicht, in dem man durch Kombinationen von persönlichen Daten einen Satz bilden konnte. Die Spieler waren überrascht, dass der entstandene Satz mit ihren Gefühlen übereinstimmt oder sie ermutigt, ihre Fähigkeiten zu nutzen. 
Schon in einer früheren Aktion berichteten Menschen über ihr Leben mit den Ausgangsbeschränkungen: Welche Schwierigkeiten es im engen Zusammenleben der Familie gab, die vielen neuen Fähigkeiten, die sie entdeckten und entwickelten. Dabei ging es nicht nur um die digitalen Kenntnisse, sondern vielmehr noch darum, wie mit Gefühlen umgegangen wurde, welche Bücher sie lasen, Filme anschauten, Kochkünste entwickelten usw. 
ADEP bot eine Plattform, die den Austausch ermöglichte. Für die Teilnehmenden wurde dies zu einer befreienden Erfahrung, denn sie merkten, dass diese schweren und komplizierten Zeiten auch Neues, Gutes hervorbrachten.

 

Ausblick und Resümee

Trotz der Pandemie, die Peru stark getroffen hat, ging die Arbeit mit Jugendlichen weiter, obwohl es keine direkten Treffen geben konnte. ADEP hat immer schon soziale Medien genutzt und die Kommunikation mit jungen Menschen ist heute überall auch per Smartphone/Internet möglich.

Gerade in der heutigen Zeit sozialer, politischer und wirtschaftlichere Umbrüche ist es sehr wichtig, jungen Menschen, Frauen und Männern, Fähigkeiten und Leitungskompetenzen mit auf den Weg zu geben, damit sie ihre und auch unsere Zukunft mit demokratischen Mitteln gestalten und weiter entwickeln.

Die AAW-Stiftung hat ADEP 2020 mit 5.000 € gefördert.

 

Im Zusammenhang mit ihrem Heimaturlaub 2021 besuchte Schwester Gisela im November auch die Aktion-Arme-Welt-Stiftung und berichtete über aktuelle Projekte und die aktuelle politische Situation in Peru.

ADEP konnte durch die Nutzung von sozialen Medien auch in Zeiten der Pandemie Weiterbildungsprogramme und Kurse durchführen. Sie hoffen alle, dass bald auch wieder Präsenzveranstaltungen möglich sind.

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