Begegnungsarbeit Puriskiri für bedürftige ältere Menschen in Cochabamba, Bolivien
Zwar gibt es seit 1998 in Bolivien ein Gesetz zur Förderung und zum Schutz der (Menschen-) Rechte der Alten Menschen. Trotz der Fortschritte und konkreter öffentlicher Maßnahmen auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene mangelt es bei der Umsetzung und an Aufklärung der armen ländlichen, zumeist indigenen Bevölkerung. Viele leiden unter mangelnder Fürsorge, Vernachlässigung oder gar Gewalt durch ihre Familien oder durch die Gemeinschaft. Manche sind völlig auf sich allein gestellt und leben in den Straßen von Cochabamba oder kommen dorthin, um zu betteln.
Hier setzt der Dienst der „Puriskiris“ und des Sozialarbeiters an, durch den aktuell 112 alte Menschen, vorwiegend Frauen zwischen 65 und 95 Jahren, in ihrem Alltag betreut werden. Darüber hinaus gibt es eine Krankenschwester mit einer halben Stelle. Sie gibt nicht nur medizinische Unterstützung, sondern hilft auch bei der Körperpflege und der Reinigung der Wohnung. Zentrales Anliegen ist es Orte der Begegnung, des Austauschs und zum gemeinsamen Feiern zu schaffen.
Bei jedem alten Menschen, der vom Dienst Puriskiris betreut wird, klärt der Sozialarbeiter zunächst die familiäre und finanzielle Situation, und teilt ihn dann je nach Bedürftigkeit und Betreuungsbedarf einer von drei Gruppen zu.
In der Gruppe A sind die ärmsten, die keine Familie mehr haben, alleine leben und schon sehr alt sind. Sie haben nicht ausreichend Lebensmittel und nur eine dürftige Unterkunft oder leben auf der Straße (aktuell 25 Menschen).
Ein bis zweimal pro Monat bekommen sie vom Sozialarbeiter bei seinem Besuch ein paar Grundnahrungsmittel wie Mehl, Zucker, Konserven, getrocknete Hülsenfrüchte, Speiseöl. Sie brauchen eine intensive Betreuung, wie z.B. Begleitung zu den Kontrolluntersuchungen beim Arzt und bei Behandlungen. Der Sozialarbeiter versucht mit dem Umfeld und der Gemeinschaft zu sprechen und diese über die Verpflichtungen gegenüber alten Menschen aufzuklären und auf deren Rechte hinzuweisen.
Wer sich nicht mehr selbst versorgen kann und von der Familie oder der Gemeinschaft keine Unterstützung hat oder bereits allein auf der Straße lebt, den versucht der Sozialarbeiter in eines der kostenlosen staatlichen Altersheime zu vermitteln. Oft ist es der alte Mensch selbst, der Ängste oder Vorurteile hat und deshalb nicht in ein Altersheim möchte. Diese gilt es abzubauen und zu vermitteln, falls keine andere Möglichkeit einer altersgerechten Betreuung gibt. Der Sozialarbeiter bleibt weiterhin im Kontakt, besucht die alten Menschen und ist für das Altersheim Ansprechpartner, fast wie ein Familienangehöriger.
Der Sozialarbeiter besucht Frau Emiliana in ihrem Haus. Es besteht aus einem einzigen Zimmer. Sie lebt allein und freut sich über Lebensmittel, die Freddy ihr mitbringt. Gespräche sind wichtig, um einen Einblick zu bekommen, was den Menschen fehlt oder wo bzw. wie sie Unterstützung benötigen.
Freddy putzt das Haus von Frau Asunta und wäscht das Geschirr vor dem Haus auf der Straße. Oft gibt es kein fließendes Wasser in den bescheidenen Behausungen.
Zur Gruppe B gehören diejenigen, die eine Familie haben und zu einer Gemeinschaft gehören und von dieser auch in irgendeiner Weise unterstützt werden. Die Familien sind aber sehr arm, haben viele Kinder und nicht ausreichend Einkünfte, um die Grundbedürfnisse aller Familienangehörigen zu decken. Die alten Menschen versuchen durch Betteln oder Verkauf von kleinen Handarbeiten etwas zu den Einkünften der Familie beizutragen.
Der Sozialarbeiter informiert ihr Umfeld über die Rechte der alten Menschen, begleitet sie zu Arztbesuchen und unterstützt sie bei Formalitäten und Amtsgängen für die Beantragung der staatlichen Rentenzahlungen, oder des Personalausweises, ärztlicher Bescheinigungen oder im Falle der Verletzung ihrer Rechte die Anzeige bei der Polizei oder vor Gericht.
In Bolivien hat jeder Bürger ab 60 Jahren ein Anrecht auf eine monatliche würdige Rente („renta dignidad“) von 300 bolivianos (ca. 38 Euros), wenn er keine Rente aus Erwerbstätigkeit erhält. Für die Formalitäten und Amtsgänge brauchen die älteren Menschen aber die Unterstützung. Viele von ihnen haben nicht einmal ihre Geburtsurkunde oder einen gültigen Personalausweis.
Hier freut sich Don Andres über seinen Personalausweis, der ihm den nun Zugang zum staatlichen System der Fürsorge für ältere Menschen ermöglicht.
In der Gruppe C (aktuell 32 Personen) sind diejenigen, die am unabhängigsten sind und aus einer Familie der Mittelklasse kommen, denen aber kaum Aufmerksamkeit oder Fürsorge geschenkt wird. Diese brauchen vor allem Unterstützung bei Amtsgängen. Sie nehmen auch die Beschäftigungsangebote, Ausflüge und Feste in der Gemeinschaft gerne wahr. Mit ihnen spricht der Sozialarbeiter auch über ihre Rechte und über Themen wie Körperpflege und Hygiene.
Die Menschen aus der Gruppe B und C bekommen Freizeit- und Beschäftigungsangebote wie z. B. handwerkliche Arbeiten. Aufgrund der Pandemie mussten sie zeitweise eingeschränkt werden und haben deswegen um 70% abgenommen.
Fröhliches Miteinander beim Malen lässt die Alltagssorgen für einige Stunden ein wenig in den Hintergrund treten.
Dieser Mann hat Stricken gelernt. Sein Glück über die Zuwendung strickt er in seinen Pullover hinein! Die Materialien dafür können mithilfe der AAW-Stiftung eingekauft werden.
Das Feiern darf natürlich nicht zu kurz kommen; jeder Anlass zur Freude ist willkommen: Don Simón hat Geburtstag. Er bekommt an seinem Ehrentag Besuch von Freddy, der auch einen kleinen Geburtstagskuchen mitgebracht hat.
Die AAW-Stiftung fördert die Fundación Cristo Vive seit 2018 bei der Unterstützung älterer Menschen. Aktuell wird über die Hälfte der Lohnkosten des Sozialarbeiters getragen.